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[Virginia]

Ein Esel schlenderte vorbei...
Sein Blick schien gleichgültig, doch plötzlich wurde er auf mich aufmerksam.
Eigentlich war es mein schöner roter Apfel, der sein Interesse erweckte.
"Darf ich?" sagte er.
"Geht schon o.k." , erwiderte ich, "Allen Früchten ist es bestimmt,
gefressen zu werden, und nicht mal nur von Eseln.
Nett wäre es, wenn du dann deine Eselsäpfel dort fallen lässt,
wo die Samenkerne eine Chance auf die Zeugung
eines jungen Bäumchens hätten."
"Danke", sprach Esel. "Und das mit den Kernen geht von mir aus o.k.
Bist ein netter Kerl, Apfelzweig. Wir sind gut Freund miteinander."
Dann frass er den Apfel, sagte "Iiiih-aaah" und ging seines Weges...
Tagsdarauf sah ich ihn wieder.
Es war ein höllisch heißer Tag, und Esel hätte wohl große Lust
auf einen saftigen Apfel gehabt.
"Hallo, Esel", sagte ich.
"Äpfel sind heute aus. Gestern ist der letzte weggegangen."
"Hallo, Zweig", sagte Esel.
"Schade, doch ich komme dich auch so gerne besuchen."
Und dann stellte er sich in den Schatten meiner Blätter,
und die Hitze wurde ihm erträglicher.
"Du bist ein wahrer Freund, Zweig", sagte er.
Gestern kam kalte Luft aus dem Nordatlantik.
Um zwanzig Celsiusgrade sank die Tagestemperatur.
Ich hatte keinen Apfel mehr zu bieten, und der Sturm,
der die kalte Luft nach Deutschland geweht hatte,
trug auch manch eines meiner Blätter davon.
Esel wären sie ohnehin zu nichts nütze gewesen,
denn heute suchte keiner den Schatten, sondern die Sonne,
die zwischen den Wolken hervorblinzelte.
Esel trottete missmutig vorbei. Aber er sah zu mir hinüber,
wendete und sagte "Hallo, Zweig."
"Hallo", erwiderte ich. "Sauwetter, was? Heute habe ich nichts zu bieten,
keinen Apfel und keinen Schatten."
"Ach was, macht nichts", sagte Esel.

"Hauptsache, wir sind Freunde."